Was alles auf dem Spiel steht

Für den HSV geht es in San Sebastian heute auch um ein Stück Zukunft

San Sebastian, 6. April

Der gelb-grun-lackierte Mannschaftsbus des HSV rollte im Dämmerlicht des späten Abends die steile Auffahrt zum einzigen Vier-Sterne-Hotel in San Sebastian empor. Der Himmel wolkenlos, der Horizont hell erleuchtet. Aus den Bäumen flogen Schwärme von Fledermäusen - den HSV empfing in der Hauptstadt des Baskenlandes der Sommer. Dennoch hatten die HSV-Spieler keinen Blick für die Schönheiten der Natur. Aber nicht nur sie, auch jedes andere Mitglied der 29köpfigen HSV- Delegation wirkt konzentriert wie selten zuvor. Denn heute abend um 20.30 Uhr geht es für den HSV um mehr als "nur" ein Europapokal-Spiel.

In San Sebastian geht es auch um die eigene Zukunft in der europäischen Spitze: "Es kann ganz schnell bergab gehen", so orakelte Manager Günter Netzer, "denn in zwei Jahren ist für uns vielleicht schon Schluß." Präsident Dr. Wolfgang Klein, der die große HSV-Delegation in San Sebastian anführt: "Wir müssen jetzt endllch über den Teuerrand schauen und den ganz großen Coup landen. Es ist schlleßllch durchaus mögllch, daß die fetten Jahre vorbei sind."

Der Deutsche Meister ist sich zudem bewußt daß er in dem mit 27 000 Zuschauern ausverkauften "Atocha"-Stadion auch antritt, um den Ruf des deutschen Fußballs wieder etwas aufzupolleren. Netzer: "Wir müssen darunter leiden, wie sich die Nationalelf im Ausland aufführt." Und Schatzmeister Helmut Kallmann: "Wir waren ja immer gut angesehen im Ausland. Aber jetzt wirft man alles in einen Topf. Da würde uns eine objektiv gute Leistung schon sehr weiterhelfen."

Ein weiterer Punkt, der für den HSV zählt: Es geht in San Sebastian ums finanzielle Überleben. Kallmann: "Schlimm genug, daß wir ans Geld denken müssen. Aber ich wäre ja am falschen Platz, wenn man nur den Erfolg sehen würde. " Manager Netzer geht noch weiter: "Da gibt es kein Wenn und Aber. Wir müssen unbedingt ins Endspiel kommen. Das Geld, das wir da verdienen können, gleicht bei uns wieder einiges aus. Aber einen richtigen Gewinn hätten wir eigent- Uch nur, wenn wir dann auch keine Prämien zahlen müßten."

Ein deutllcher Sieg wäre da für den HSV mit Sicherheit das falsche Ergebnis, auch wenn Zuschauereinbußen im Rückspiel schon jetzt einkalkullert werden. Netzer. "Wir befürchten, daß der HSV nach den letzten Leistungen nicht mehr so gefragt ist."

Auch für drei HSV-Spieler geht es heute abend um einiges:

- Jürgen Müewski kämpft um einen neuen Vertrag: "Ich muß auf dem Spielfeld überzeugen, da kann mir keiner helfen." Gespräche mit dem Manager sollen am Wochenende unter dem Eindruck des Europacup-Spiels vereinbart werden. ? Horst Hrubesch, dessen Nachfolger beim HSV schon seit einem Jahr feststeht (Dieter Schatzschneider), und der kernen neuen Vertrag erhält wül dennoch im Gespräch bleiben: "Ich bin noch nicht alt genug, um aufzuhören." Er wül sich zumindest als bester HSV-Europapokal- Torschütze verabschieden (mit 21 Treffern Uegt er mit Uwe Seeler noch gleichauf).

- Schlleßllch Manfred Kaltz, der wieder in die Nationalen" zurück will: "Ich gehöre doch dazu." Günter Netzer bestätigt: "Manfred arbeitet sehr, der kommt wieder. Der wül wiederkommen." Was der HSV bereits auf dem Hinflug erlebte, trug auch nicht dazu bei, die etwas gedämpfte Stimmung zu verbessern: Der Start der Boeing 737 verzögerte sich um eine Viertelstunde, weü die Maschine wegen Überladung zusätzllch betankt werden mußte. Eme weitere Viertelstunde verschenkten die Mannschaft und die 76 mitreisenden Fans, weü auf dem französischen Flughafen in Biarritz keine passende Leiter bereitstand. Und schlleßllch blleben die Busse auf dem Weg über die Grenze nach San Sebastian 15 Minuten in der Zollkontrolle stecken. San Sebastian: Arconada - Larranaga - Orbegozo, Gorriz, Murülo - Celejeta, Diego, Zamora - Baquero, Uralde, Lopez- Ufarte.

HSV: Stern - Hieronymus - Kaltz, Jakobs, Wehmeyer - Groh, Hartwig, Magath, Rolff - Hrubesch, Müewski (Bastrup).

Schiedsrichter: Vautrot (Besancon/ Frankreich).

- Das Spiel wird im 1. Fernsehprogramm Uve ab 20.30 Uhr übertragen. Reporter ist Fritz Klein

Und die Sterne warnen Happel

Wenn es nach den Sternen geht, wird es heute abend für HSV-Trainer Ernst Happel, geboren am 29. November 1925 in Wien, Sternzeichen "Schütze", durchaus nicht langweilig. Im Horoskop heißt es schlleß- Uch: "Machen Sie sich auf eine turbulente Zeit gefaßt. Bekommen Sie es in letzter Sekunde nicht noch mit der Angst zu tun. Sie werden viel Geschick benötigen, um die Probleme zu lösen." Und die Sterne geben dem HSV-Trainer dann den Rat: "Ihre Ideen smd ausgezeichnet. Aber haben Sie auch den Mut und führen Sie Ihre Planungen durch. Lassen Sie sich von niemandem dabei beirren - sonst kommt Ihnen jemand zuvor." Inwieweit Happel dem Glauben schenkt, bleibt abzuwarten. Horoskope tat er bisher als "Kinkertitzchen" ab. Man wird ja sehen . . .

HSV ist Favorit

"Erhebüches Desinteresse unserer verehrten Kundschaft" melden die Londoner Buchmacher im Hinblick auf den Wettmarkt für die Halbfinal- Hinspiele der drei Europacupwettbewerbe am heutigen Mittwoch. Nachdem mit dem FC Liverpool und Aston VUla die letzten engllschen Mannschaften im Viertelfinale ausgeschieden smd und mit Bayern-Bezwinger FC Aberdeen ledigüch nur noch ein schottischer Klub in der Konkurrenz ist, halten sich die ansonsten wettfreudigen Briten mit ihren Einsätzen stark zurück. Mit 28:10 wurde der HSV emen Tag vor seinem Spiel in San Sebastian noch zu einem relativ guten Kurs auf ein Weiterkommen im Cup der Landesmeister notiert. Favorit ist jedoch Juventus Turin, die es bei "Ladbrokes" für 20:10 und bei "Hüls" gar nur für 18: 10 gibt. Nur wenig traut man San Sebastian und dem polnischen Meister Widzew Lodz zu, beide notieren bei durchschnittllch 80:10.

Drei sind gefährdet

Vor der ersten Begegnung zwischen San Sebastian und dem HSV sind in jeder Mannschaft drei Spieler mit einer gelben Karte belastet: Corta Barria, Celayeta und Larranage beim spanischen Meister sowie Jimmy Hartwig, Horst Hrubesch und UU Stein beim HSV. Im Falle einer erneuten Verwarnung durch den französischen Schiedsrichter Vautrot wären diese Spieler bei der zweiten Partie am 20. April im Volksparkstadion nicht dabei. Die Regelung mit einer Spiel- Sperre nach zwei gelben Karten betrifft heute fünf Spieler: Balaci, Stefanescu (beide Universitatea Craiova), Camacho (Real Madrid), Plessers (FC Thor Waterschei) und Strömberg (Benfica Lissabon). Craiovas Spielmacher Ilia Balaci sah beim Rückspiel des Viertelfinales gegen den 1. FC Kaiserslautern (0:1) bereits die vierte gelbe Karte im diesjährigen Wettbewerb und stellte mit der dritten Sperre emen neuen Negativrekord auf.

Mit 40 noch dabei

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